Wie die Kernenergie ist die Gentechnik in den letzten Jahren zunehmend ins Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik geraten. So unterschiedlich die Ausgangssituationen auch gewesen sein mögen, beiden Technologien wird angelastet, daß von ihnen unüberschaubare Risiken für die Gesundheit von Menschen und ihrer Umwelt ausgehen und Folgen für nachfolgende Generationen nicht absehbar seien. Beide Technologien zeichnen sich durch einen hohen Grad an Komplexität aus, die oft nicht einmal von Experten voll durchschaut wird. Eine Vielzahl an Entscheidungsträgern (Personen und Gremien mit unterschiedlichem Einflußbereich), eine hochgradig spezialisierte Fachsprache (vor allem eine Flut von Abkürzungen in den verschiedenen Ingroups im Bereich der Gentechnik) erschweren das Erkennen von Zusammenhängen und führen zu einer stetigen Abnahme der Akzeptanz von gewonnenen Ergebnissen und in Aussicht genommenen Projekten.
Der Kerntechnik werden mangelnde Sicherheits- und Entsorgungskonzepte vorgehalten. In der Essenz bedeutet Kerntechnik Freisetzung großer Mengen energiereicher Strahlung, die nur dann sinnvoll nutzbar ist, wenn sie in geordnete Bahnen gelenkt wird wie z.B. beim regulären Betrieb eines Kernkraftwerks. Alle Sicherheitsvorkehrungen hierzu sind von Menschen ersonnen, die entwickelten Maßnahmen und technischen Einrichtungen beruhen auf physikalischen Gesetzen und das heißt im Endeffekt, daß auch Fehler auftreten können. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung erlaubt es, Fehlerquoten quantitativ zu erfassen. Wie fragwürdig das Verfahren jedoch sein kann, belegte der amerikanische Physiker R.P. FEYNMAN als Mitglied der Kommission, die vom Präsidenten der USA zur Aufkärung der Challenger-Katastrophe eingesetzt wurde: Er fand, daß die am NASA-Projekt beteiligten Techniker zwar Wahrscheinlichkeiten wie 10-5 benennen, jedoch keine Vorstellungen darüber entwickeln konnten, wie dieser Wert zustande gekommen ist, unter welchen Randbedingungen er gültig ist, und was er in Wirklichkeit bedeutet (R. P. FEYNMAN: Kümmert Sie, was andere Leute denken ? 1991).
Im schlimmsten Fall kann ungeregelt freigesetzte Strahlungsenergie den akuten Tod von Menschen und anderen Lebewesen verursachen, sie kann zu lebenslänglichen Gesundheitsstörungen führen, die teilweise erst nach Jahren zum Ausbruch kommen, sie kann Lebensräume auf lange Zeit unbewohnbar machen, und sie kann schließlich Erbschäden verursachen, die erst in späteren Generationen in Erscheinung treten. Gerade vor solchen Gefahren besteht mit die größte Furcht. Der britische Biologe R. DAWKINS faßte 1976 derartige Intentionen in seinem Buch "The Selfish Gene" zusammen; er legte dar, daß Gene (im weitesten Sinne verstanden) die inherente Tendenz besitzen sich zu vermehren und daß alles was im Verlauf der Evolution um sie herum aufgebaut worden ist (Stoffwechsel, Zellen, vielzellige Lebewesen, Verhaltensweisen, menschliche Kultur und Ethik) ausschließlich darauf ausgerichtet ist, dafür zu sorgen, daß die eigenen Gene an nachfolgende Generationen weitergegeben werden. Jeder denkbaren Gefahr und unüberschaubaren Risiken gegenüber sind Menschen daher a priori skeptisch eingestellt. Ebenso haben sich im Verlauf der organismischen Evolution zahlreiche Mechanismen entwickelt, die einerseits dem Schutz der Gene (bzw. allgemein der genetischen Information) dienen, zum anderen aber auch dafür sorgen, daß genetische Information nicht unentwegt vermehrt und exprimiert wird. Regulation (negative Rückkopplung) auf allen Organisationsebenen ist eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Entwicklung und Erhaltung von Leben in einer physikalischen Umwelt. Lebende Systeme befinden sich stets in einem Fließgleichgewicht. Sie sind auf eine stetige Energiezufuhr angewiesen um den Folgen der Entropie zu entgehen.
Hiervon ausgehend lassen sich auch mögliche Risiken der Gentechnik diskutieren. Den Ausgangspunkt der öffentlichen Diskussion bildete eines der ersten gentechnischen Experimente, bei dem der amerikanische Molekularbiologe P. BERG zwei Kopien des Genoms eines tumorinduzierenden Virus (SV 40) zu einem gemeinsamen Molekül koppelte (SV 40)2. Zusammen mit anderen Wissenschaftlern rief er zu einer Konferenz in Asilomar auf, auf der erstmals über die möglichen Folgen solcher Experimente gesprochen wurde und Maßnahmen ergriffen wurden, potentielle Gefahren schon im status nascendi erkennen und eingrenzen zu können. Das (veröffentlichte) Memorandum wurde Ausgangspunkt der seitdem in der Öffentlichkeit in den USA und den übrigen Industrieländern kontrovers und vielfach emotional geführten Auseinandersetzungen und der sich daraus ableitenden Gesetzgebung (einem Regulativ) (LEAR, 1978). Hier besteht im Gegensatz zur Diskussion um die Kernkraft nicht die Furcht vor freigesetzter zerstörend wirkender Energie, sondern die Furcht, daß neuartige genetische Konstellationen geschaffen werden, die sich ihrerseits selbständig machen und dadurch menschliches Leben oder das Leben anderer Organismen bedrohen (z.B. indem sie deren Genome verändern) und somit nachhaltige Schäden hervorrufen. Als Folge davon werden auch Störungen in Ökosystemen und letzlich in der gesamten Biosphäre befürchtet.
Nicht zuletzt unter Einsatz der Gentechnik hat unser Wissen über das Management genetischer Information der Organismen, die Expression von Genen, die Abänderung von Genomen und entscheidenden Evolutionsstrategien, Selektionskriterien, etc. in den beiden letzten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts exponentiel zugenommen. Wir kennen die Moleküle und supramolekularen Komplexe, aus denen lebende Systeme aufgebaut sind, wir kennen deren Wechselwirkungen untereinander, wir kennen unterschiedliche Hierarchieebenen und im Prinzip die Funktionen der einzelnen Systemelemente. Die Systemtheorie erlaubt es uns, alle Erscheinungen zu ordnen und erleichtert damit deren Verständnis (v. SENGBUSCH, 1994). Die Methoden der Gentechnik nutzen daher primär der Grundlagenforschung. Von unserem heutigen Wissensstand ausgehend, lassen sich deshalb auch eine Anzahl von Szenarien konstruieren und mögliche Folgen der Freisetzung genetischer Information abschätzen.
In der Tat, es gibt keinen absoluten Schutz gegen eine Freisetzung von im Labor erzeugten Genkonstruktionen (genetisch veränderten Organismen: GVO). Was kann aber passieren, wenn GVOs oder einzelne Abschnitte ihrer genetischen Information freigesetzt werden ? Um beim Thema zu bleiben, beschränke ich mich hier auf die potentielle Ausbreitung von Pflanzen und / oder pflanzlicher Gene nach Kultur gentechnisch veränderter Pflanzen auf abgegrenzten Versuchsflächen. Es sind bereits über tausend derartiger Experimente (vorwiegend in den USA) durchgeführt worden. Folgende Bedenken und Sachverhalte wären daher zu diskutieren:
Es ist nicht möglich bei der Ernte alle ausgebrachten und dort gewachsenen Pflanzenteile quantitativ wieder zu ernten. Es verbleiben Pflanzenreste, Wurzelreste, abgestorbene Pflanzenteile mit z.T. noch intakter genetischer Information im Boden. In späteren Jahren könnten sich daraus Nachkommenschaften entwickeln.
- Pollen ev. auch Samen werden passiv oder unter Mitwirkung von Vektoren verbreitet (Bestäuber / Tiere, die an der Samen- und Fruchtverbreitung beteiligt sind).
- Über den Pollen könnte genetische Information der GVOs auf andere Arten übertragen werden, es könnten Bastarde entstehen, deren Ausbreitungspotential nicht abschätzbar ist.
- Durch Samen könnten GVOs in labile oder gefährdete Ökosysteme eindringen und dort irreversible Schäden anrichten.
- Durch horizontalen Gentransfer könnten Gene aus abgestorbenem Pflanzenmaterial auf andere Pflanzenarten übertragen werden und somit deren genetische Konstitution nachhaltig beeinflussen. Gene könnten von Pflanzen auf Mikroorganismen übergehen.
Für alle genannten Prozesse lassen sich Modellbeispiele als Belege anführen. Weil das aber der Fall ist und weil es nicht nur Spekulationen sind, die im Zusammenhang mit der Gentechnik und den experimentell bedingten Freilandversuchen entwickelt wurden, stehen diesen Möglichkeiten natürliche Abwehrmechanismen gegenüber, die im Verlauf der organismischen Evolution entstanden und optimiert worden sind, um die eigene genetische Information vor fremder zu schützen. Auch die natürlichen Schutzmechanismen bieten den Organismen keinen absoluten Schutz. Da aber gleichzeitig oder nacheinander unterschiedlichste Mechanismen auf allen strukturellen und funktionellen Hierarchieebenen zum Zuge kommen, wird die Wahrscheinlichkeit, daß eine fremde genetische Information exprimiert wird und Dominanz erlangt auf ein kaum meßbares Minimum reduziert.
Ganz allgemein läßt sich sagen, daß die Menge genetischer Information mit steigendem Komplexitätsgrad der Organismen zunehmen muß; einschlägige Daten hierzu liegen vor. Man geht davon aus, daß das Bakterium Escherichia coli etwa 2000 - 2500 Gene besitzt, für Drosophila melanogaster werden in der Literatur Werte von 8000, bzw. 13000 genannt, der Mensch soll etwa 55.000 - 60.000 Gene besitzen. Eukaryoten besitzen in ihren Zellkernen jedoch weit mehr DNS als zur Codierung der benötigten Genprodukte erforderlich wäre. Das beruht einmal darauf, daß deren Genome üblicherweise diploid sind und zum anderen auf dem Vorkommen sog. repetitiver, nicht-codierender DNS, die bis zu über 90 % der Gesamt-DNS-Menge des Genoms ausmachen kann. In Anlehnung an DAWKINs "Selfish Gene" nannte CRICK diese DNS "Selfish DNA"; sie ist vorhanden, wird mit repliziert, ohne daß ihr klare Funktionen zugeschrieben werden können. Man vermutet, daß zumindest eine bestimmte Fraktion dieser repetitiven DNS an Rekombinationsereignissen beteiligt ist sowie an der Erkennung bestimmter funktioneller Einheiten mitwirkt und somit die Regulation der Genexpression beeinflußt. Wichtig: Der Replikationsprozeß von DNS in der Zelle ist nicht übermäßig energieaufwendig. Die Zelle (von Escherichia coli) benötigt ca. 88 % ihrer Energie für die Proteinbiosynthese (also für die Genexpression).
Der Mensch besitzt im haploiden Genom 2,6 pg DNS, Frösche zwischen 5 und 10 pg. Maissorten, die im Süden der USA und in Mexiko angebaut werden, enthalten im Kern 30 % mehr DNS als Sorten aus dem Norden der USA. Evolutionshöhe und Artspezifität sind daher nicht mit absoluter DNS-Menge pro Zellkern korreliert. Man weiß heute, daß die Umstrukturierung genetischer Information die Hauptursache der Evolution innerhalb der einzelnen Organismengruppen ist (WILSON et al., 1974, AYALA, 1976). Man weiß auch, daß Transposons (mobile genetische Elemente) an derartigen Umstrukturierungen ursächlich beteiligt sind (NEVERS & SAEDLER, 1977). Umstrukturierungen lassen sich bei evolutionär erfolgreichen Gruppen (Mammalier, Angiospermen) durch eine überdurchschnittlich hohe Variabilitätsrate der Chromosomen(-größe, -zahl) erkennen. Chromosomenveränderungen sind Marker, sie führen zu Hinweisen darauf, daß Gene unter neue Expressionsmuster gebracht werden (Veränderungen von Exon-Intron Strukturen, Kopplung / Entkopplung von codierenden Sequenzen und Promotoren u.a. Signalsequenzen). Die relativen Zunahmen an Unterschieden der Chromosomenzahl pro Entwicklungslinie und Zeiteinheit beträgt z.B. bei Cycadeen 0, Coniferen 2, verholzten Angiospermen 14 und krautigen Angiospermen 100. Es besteht somit eine Korrelation zwischen Chromosomenvariation und Artendiversifikation. Im Klartext: Evolution beruht auf Mechanismen der Gentechnik.
Genome der Angiospermen variieren in bezug auf ihre Größe um den Faktor 2500. Das kleinste Genom wurde bei Cardamine amara mit 0,05 pg (pro haploidem Genom), das größte bei Fritillaria assyrica 127,4 pg nachgewiesen. Arabidopsis thaliana verfügt über 0,25 pg (BENNETT et al., 1982).
Die Mehrzahl aller Arten besitzen weit über 1 pg. DNS. 1 pg DNS entspricht 9,15 x 108 Basenpaaren also rund 109. Geht man nun davon aus, daß ein Gen (großzügig gerechnet) 104 Basenpaare enthält, kommt man auf eine potentielle Gesamtmenge von 105 Genen.
Bei der Annahme einer Gengröße von 103 Basenpaaren erhöht sich der Wert auf 106, realistisch dürfte ein Mittelwert hiervon sein. Das wären aber immer noch mehr als doppelt so viele Gene wie der Mensch besitzt. Um bei der Realität zu bleiben, muß man wohl annehmen, daß die Mehrzahl der potentiellen Gene nicht exprimiert wird: "silenced genes". Vermutlich benötigen Pflanzen (Angiospermen) nicht mehr als größenordnungsmäßig 5000 Gene.
Durch Analyse der transkribierten Abschnitte gaben GOLDBERG et al., 1978) an, daß beim Tabak 5,2 % der singulären DNS Abschnitte transkribiert werden, das entspricht 27.000 RNS-Sequenzen (durchschnittlich mit 1200 Basen), 60 % dieser unterschiedlichen RNS-Sequenzen werden pro Zelle jedoch nur in geringer Kopienzahl gebildet, womit sich natürlich die Frage aufdrängt, ob sie tatsächlich benötigt werden, d.h., ob sie für essentielle Proteine codieren oder an Regulationsprozessen mitwirken. Es sieht so aus, als sei das nicht der Fall, bestenfalls könnten einge der Sequenzen modulierend auf andere Gene wirken oder eine Art Reservoir darstellen, das unter bestimmten Umständen reaktiviert werden kann. Es ist "ökonomischer", vorhandene Information zu erhalten und nur bei Bedarf zu nutzen, als solche Information neu zu entwickeln (im klassischen Sinne durch Mutation) oder auf anderem Wege zu erwerben.
Zusammenfassend ist zu sagen, daß das genetische Potential der überwiegenden Zahl der Angiospermenarten den tatsächlichen Bedarf bei weitem übersteigt. Die Mehrzahl der Gene liegt in inaktivem Zustand vor. Die Ursache der Inaktivierung sind u.a. fehlende Signalsequenzen, Basenmethylierung oder die Wirkung von Transposons, welche entweder im codierenden Bereich der potentiellen Genabschnitte oder in einer ihrer Kontrollregionen (Promotor, Ribosomenbindungsstelle u.a.) integriert sind. Die Inaktivierung durch Transposons bietet die Chance, daß ein solches Kontrollelement auch wieder ausgebaut werden kann, so daß das betreffende Gen reaktivierbar bleibt.
Die Mehrzahl der Evolutionstrends bei Angiospermen sind regressiver Natur:
Primitive Angiospermen sind Holzpflanzen, abgeleitete Gruppen sind krautig. Ursache: reduzierte Aktivität des Lateralmeristems (Kambiums). Folgen und Vorteile: schnellere Reproduktionszyklen (Einjährigkeit statt Mehrjährigkeit), vermehrte Chancen neuen Lebensraum zu gewinnen. Die Ausgangssubstanz der Ligninsynthese (Holz), der Cumarylalkohol. kann als Vorstufe zur Bildung bestimmter sekundärer Pflanzenstoffe verwendet werden, die ihrerseits als Fraßschutz, als Lichtschutz oder zur Anlockung von Bestäubern dienen können. Die Biosyntheseketten solcher Produkte verkürzen sich mit zunehmender Evolutionshöhe (KUBITZKI & GOTTLIEB, 1984). Ihre Biosynthese geht nur über wenige Schritte, das heißt, daß a priori nur wenige Gene benötigt werden, und daß auch deren Zahl zunehmend reduziert wird. In Familien mit vorwiegend krautigen Pflanzenarten können sekundär holzige entstehen. Alles weist darauf hin, daß die Transposon-bedingte Sperre aufgehoben wird. So etwas ist wiederholt in den verschiedensten Pflanzengruppen nachgewiesen worden (Parallelismus), was ebenfalls auf eine Reaktivierung vorhandener genetischer Information hinweist (KUBITZKI, v. SENGBUSCH & POPPENDIEK , 1991).
Blütenkronblätter sind abgeleitete Blätter. Sie sind im anatomischen Bau primitiver als grüne photosyntheseaktive Blätter, es gibt keine klare Untergliederung in Palisaden- und Schwammparenchym, es gibt keine Photosyntheseaktivitäten. Die Lebensdauer der Blütenkronblätter ist extrem kurz (Tage, Stunden und nicht Wochen, Monate, Jahre)
In primitiven Angiospermen ist die Zahl der Elemente der einzelnen Blütenkreise (Kelchblätter, Kronblätter, Staubblätter, Fruchtblätter) hoch, bei abgeleiteten Formen ist sie niedrig. Bei primitiven Angiospermen sind die Blütenkronblätter getrennt, bei abgeleiteten "verwachsen". Trennung und Ausbildung spezifischer Muster kann durch die GIERER-MEINHARDTsche Musterbildungstheorie (MEINHARDT & GIERER 1980) gedeutet werden. Die wichtigste Eigenschaft, die der Theorie zugrunde liegt, ist das Phänomen der lateralen Inhibition (einer Anlage kann keine gleichartige Anlage direkt benachbart sein). Um eine laterale Inhibition zu bewirken werden ein Aktivator und ein Inhibitor benötigt (Produkte, für deren Bildung nur wenige Enzyme und damit auch nur wenige Gene benötigt werden). Bei einer Blockade der lateralen Inhibition wächst ein Meristem quasi ringförmig und bildet damit eine "verwachsene" Kronröhre.
Angiospermen (krautige und verholzte) verfügen normalerweise über einen stabilen Sproß. Es gibt einige Mutationen (spiralis, contorta), bei denen der Sproß schraubenförmig gedreht ist (einseitig verstärkte Wachstumszone, die sich beim Wachstum der Achse kontinuierlich verschiebt). Pflanzen mit dieser Mutation (z.B. Corylus avellana, Juncus effusus) haben zwar in der Natur keinen Selektionsvorteil, werden aber von Gärtnern kultiviert und haben deshalb in Gärten eine neue ökologische Nische gefunden. Zum Selektionsvorteil wird diese Mutation jedoch, sobald Sprosse mit nicht-ausreichender Stabilität entstehen: Es bilden sich Ranken, so z.B. bei vielen Cucurbitaceen und Leguminosen (krautig) und vielen Lianen des tropischen Regenwalds (verholzt).
Reduktionserscheinungen und "Rescue-Mechanismen". Stark reduzierte Blätter findet man u.a. bei Asparaginaceen. Da deren Photosyntheseleistung offensichtlich nicht ausreicht, haben sich blattähnliche Sprosse entwickelt (Phyllokladien). Bei manchen Arten (z.B. Semele androgyna) ähneln sie einem gefiederten Leguminosenblatt. Viel spricht dafür, daß die Formbildung der Phylocladien durch das gleiche Gen (die gleichen Gene) induziert wird wie eine Blattbildung.
Der Blütenstand der Asteraceen enthält extrem stark reduzierte Blüten und eine stark reduzierte Infloreszenz (Körbchen, keine Achsen wie z.B. bei einer Rispe oder Dolde). Der Blütenstand ähnelt einer Blüte der Aizoaceae (Mittagsblumengewächse). Auch bei diesen nicht nah miteinander verwandten Pflanzenfamilien sind offensichtlich die gleichen forminduzierenden Gene aktiv.
Da Formbildung durch Informationsaustausch zwischen benachbarten Zellen bedingt ist, kommt es lediglich auf die Größe des Meristems an, wobei es ohne Belang ist, ob die Zellen dort bereits auf anderer Ebene determiniert sind (entweder zur Bildung von Blütenorganen oder zur Bildung von mehreren Einzelblüten). Auch eine Hochblattbildung und -anordnung entspricht nicht selten der Form und Farbe einer Blüte.
Horizontaler Gentransfer, d.h. die Übertragung von genetischer Information beliebiger Herkunft auf eine Zelle, bzw. einen vielzelligen Organismus ist bei Mikroorganismen wiederholt nachgewiesen worden. Konjugation, Transformation und Transduktion sind die hier in Erscheinung tretenden Mechanismen. Ein weiterer Beleg ist die nachgewiesene Übernahme von Genen aus Organellen (Mitochondrien, Plastiden) durch den Zellkern ihrer eukaryotischen Wirte (Endosymbiontenhypothese). Auch die Produktion von GVOs durch Transformation gehört in diese Kategorie. Bakterien (und auch eukaryotische Zellen) können somit zusätzliche genetische Information erwerben. Bekanntgeworden ist die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzenzen auf nahezu alle pathogenen Keime in den sechziger Jahren in Kliniken nach intensiver Verabreichung von Antibiotika. Seitdem diese nur noch gezielt zur Therapie eingesetzt werden, sind die Resistenzen zunächst weitgehend zurückgedrängt worden. Die auf Plasmiden lokalisierten Resistenzfaktoren gingen bei den pathogenen Arten bei ausbleibendem Selektionsdruck zunehmend verloren. Man geht davon aus, daß die Ausprägung der Resistenz derart energieaufwendig ist, daß Träger solcher Plasmide gegenüber den Zellen ohne Plasmid in antibiotikafreier Umgebung einen Selektionsnachteil haben.
Daß horizontaler Gentransfer bei Pflanzen möglich ist, beweisen die Erfolge bei der Konstruktion von GVOs; d.h. jede beliebige genetische Information kann in Pflanzenzellen eingebracht werden, dort stabil integriert und zur Expression gebracht werden, so z.B. auch Gene, die für Antikörper oder für Luciferase codieren. Die Stabilität der Expression ist bei derart extremen Fällen bislang nur unter kontrollierten Laborbedingungen gewährleistet. Ob diese Konstruktionen unter den Selektionsbedingungen im Freiland erhalten bleiben, ist offen.
Makromoleküle (DNS, RNS, Nukleoproteinkomplexe) können unter Freilandbedingungen von Pflanzenzellen aufgenommen werden. Voraussetzung ist nur, daß die Zellwand lokal beschädigt ist, so daß solche Komplexe mit der Membran direkt in Kontakt treten. Zur wirkungsvollen Abwehr verfügen die Zellen über ein Sortiment verschiedener Nukleasen. Dennoch: auf diese Weise kommen z.B. Virusinfektionen zustande (die meisten Viren schützen ihre genetische Information durch spezifische Hüllproteine). Viren sind in intakten, artenreichen Ökosystemen in der Regel recht selten, hingegen ist das Ausbreitungspotential in Monokulturen drastisch erhöht. Die meisten Viren haben nur ein sehr enges Wirtsspektrum. Das heißt zugleich, daß ein in eine Pflanzenzelle eingedrungenes Viruspartikel sich nur dann vermehren kann, wenn es sich um die richtige (susceptible) Wirtsart handelt. In allen Zellen der übrigen Arten wird die genetische Information des Virus nicht exprimiert, eine Vermehrung unterbleibt, die Zellen werden nicht geschädigt. Viele Wirtspflanzen verfügen zudem über einen weiteren spezifischen und aktiven Abwehrmechanismus, der eine Ausbreitung der Viren in der Pflanze unterbindet: Nekrotisierung (einige wenige infizierte Zellen sterben ab, der Rest der Pflanze bleibt gesund). Bei fehlender Resistenz breitet sich das Virus in der Pflanze systemisch aus, vermag aber nicht in Meristeme einzudringen. Die Virusinfektion und damit die genetische Information des Virus wird nicht auf nachfolgende Generationen übertragen (kein vertikaler Genaustausch).
Ebenso wie Viruspartikel können beliebige DNS-Moleküle in Pflanzenzellen geraten. Die ganze Umgebung lebender Organismen ist DNS-verseucht (Moleküle aus absterbenden und abgestorbenen Zellen aller im gegebenen Lebensraum vorkommenden Arten). Inwieweit derart aufgenommene DNS in das Pflanzengenom integriert wird und zur Expression gelangt, ist eine nach wie vor offene Frage. Klare Beweise fehlen. Als Kandidat für einen derartigen Gentransfer könnten Hämoglobingene genannt werden. Es gibt einige wenige nicht verwandte Pflanzenarten, in denen Hämoglobin exprimiert wird, bekannt sind vor allem die Leguminosen, wo dem Leghämoglobin bei der Stickstoffixierung (durch symbiontisch lebende Rhizobien) eine essentielle Funktion zukommt. Im Tierreich kommt Hämoglobin nur bei den Endgliedern der beiden Entwicklungslinien (Protostomier, Deuterostomier) vor: den Insekten und den Vertebraten. Beim derzeitigen Stand der Diskussion geht man davon aus, daß Hämoglobingene evolutionär sehr alt sind und in allen eukaryotischen Zellen vorliegen, aber nur in wenigen Arten oder Artgruppen exprimiert werden (siehe Abschnitt über Nutzung genetischer Information) (APPLEBY, 1984, LANDSMANN et al., 1986). Für das Ausbleiben der Expression in den übrigen Arten stehen zur Diskussion: falsche Exon-Intron Struktur (die Exons sind über das Genom verstreut und können daher nicht als funktionelle Einheit exprimiert werden), fehlende geeignete Promotoren oder Signale zur Genaktivierung. Ein horizontaler Gentransfer (z.B. von Insekten auf bestimmte Pflanzenarten oder Pflanzengruppen (Leguminosen)) ist jedoch nicht ausgeschlossen.
Daß ein horizontaler Gentransfer bei Pflanzen dennoch kaum (?) vorzukommen scheint, beruht auf Besonderheiten der pflanzlichen Entwicklung und den Selektionsmechanismen, die bei der Meristembildung wirken. Pflanzliche Meristeme sind geschichtet, im einfachsten Fall unterscheidet man zwischen Tunica (äußerste Zellschicht: L1) und Corpus. Aus L1 entsteht stets die Epidermis, aus dem Corpus die übrigen Gewebe. Es gibt bei Pflanzen keine Keimbahn; sporogenes Gewebe (Eizelle, Pollen) entsteht aus dem Corpus. Einmal ausdifferenzierte Zellen leisten in der Regel keinen Beitrag zur Fortpflanzung. Wenn überhaupt, dann gelangt Fremd-DNS zunächst in eine Epidermiszelle, es besteht daher keine Chance, daß die aufgenommene genetische Information an sporogenes Gewebe weitergegeben wird. Das gilt aber auch dann, wenn eine Fremd-DNS in eine parenchymatische Zelle gerät. Diese Zellen (vieler Dikotyledonen) können zwar potentiell in meristematische Zellen rückverwandelt werden. Das geschieht unter natürlichen Bedingungen höchst selten. Ausnahmen findet man z.B. bei Arten mit Brutknospen (Bryophyllum, Kalanchoe) oder nach Beschädigungen der Gewebe.
In pflanzlichen Geweben gibt es keine Zellwanderungen und damit auch keine Malignität und keine Metastasenbildung. In eine Zelle eingedrungene Fremd-DNS kann, wenn sie ins Genom integriert worden ist und zur Expression gelangt (alles höchst unwahrscheinlich) nicht in andere Zellen gelangen, da sie (anders als die genetische Information von Viren) nicht über Selbstreplikations und -ausbreitungssignale verfügt. Damit ist nahezu ausgeschlossen, daß sie in Meristeme gelangt und somit auf nachkommende Generationen übertragen werden könnte. Doch selbst wenn der wohl nur als hypothetisch anzunehmende Fall einer Integration von Fremd-DNS in meristematische Zellen oder zu Meristemen rückgebildete Zellen eintritt, ist damit noch keine Gewähr gegeben, daß diese Zelle sporogenes Gewebe bildet. Je stärker eine Pflanze verzweigt ist, desto unwahrscheinlicher ist es, daß genetisch abgeänderte Zellen in solche Gewebe gelangen. Es gibt zudem auch in den Meristemen eine Zell-Zell- Konkurrenz, durch die genetisch veränderte Zellen (auch Defektmutanten) wegen geringerer Teilungsfrequenz aus den Meristemen ausgeschlossen werden (BUCHHOLZ, 1922). KLEKOWSKI (1988) formulierte den Sachverhalt wie folgt: "Thus the promotion of genetic stasis against the forces of mutations may be an important underlying principle in plant biology".
Pollen sind bei Samenpflanzen die üblichen Vektoren zur Übertragung genetischer Information von einem Individuum zu einem anderen. Wenn alles gut geht, gelangt der Pollen auf die Narbe eines Individuums der gleichen Art, er keimt aus, d.h. ein Pollenschlauch wird gebildet, der durch den Griffel hindurchwächst und dessen Spitze den Embryosack erreicht. Bei Angiospermen werden zwei Spermakerne in den Embryosack übertragen, von denen der eine die Eizelle befruchtet, es entsteht eine Zygote, die sich zum Embro entwickelt. Der zweite Kern fusioniert mit dem (diploiden) sekundären Embryosackkern, aus dem Fusionsprodukt bildet sich das Endosperm, ein Nährgewebe für den sich entwickelnden Embryo.
Nicht selten gelangt ein Pollenkorn jedoch auf die Narbe einer fremden Art. Die Folge: ein Auskeimen unterbleibt, seine genetische Information ist verloren. Eine Voraussetzung zum Auskeimen ist eine spezifische Erkennungsreaktion zwischen Pollen und Narbe. Beide müssen kompatibel sein, Kompatibilität ist jedoch nicht unbedingt an Artgrenzen gebunden. So kann Pollen auch auf Narben nah verwandter Arten keimen. Damit ist aber noch nicht gewährleistet, daß der Pollenschlauch tatsächlich den Embryosack erreicht. Auch hier gibt es Hindernisse, die ein gerichtetes Wachstum unterbinden können (Inkongruenz) (HESLOP-HARRISON, 1982). Wenn selbst diese überwunden sind und es zu einer Zygotenbildung (Bastardbildung, Hybridisierung) kommt, stehen noch weitere Hürden bevor:
- Die Zygote könnte sich entwickeln, aber es wird kein funktionelles Endosperm gebildet, der Embryo "verhungert"
- Die beiden Kerngenome kooperieren nicht miteinander, z.B. weil die Mitosedauer der beiden Arten unterschiedlich ist.
Das Kerngenom der einen Art kooperiert nicht mit dem Plastom (Plastidengenom) der zweiten Art, die Entwicklung stagniert. Beispiele hierfür sind in der Gattung Oenothera im Detail analysiert worden (STUBBE, 1959).
- Es bildet sich ein Embryo, der sich zu einer vollständigen weiteren Pflanze entwickelt. Diese kann sich durch sog. Hybridenschwäche auszeichnen, sie ist weniger konkurrenzfähig als die Elternarten. Sie findet keinen Lebensraum um sich zu etablieren.
Es bildet sich eine normale Pflanze, aber sie kann keine funktionellen Gameten bilden. Ursache hierfür sind Meiosestörungen. Es werden keine Bivalente gebildet, einzelne Chromosomen gehen bei der ersten mitotischen Teilung verloren, es entstehen unbalancierte Genome und das bedeutet in der Regel Sterilität. Die Meiose ist eines der wirkungsvollsten Filter durch das genetische Defekte (Chromosomenmutationen) eliminiert werden.
Aber: es gibt (seltene) Ausnahmen! Es können zufallsmäßig doch einige wenige funktionelle Gameten entstehen, so daß eine Chance besteht, daß neuartige Genkombinationen auf Nachkommenschaften weitergegeben werden.
Bei Artkreuzungen (A x B) und nachfolgender Polyploidisierung entstehen Pflanzen mit Zellen des Genotyps AABB, die dann gebildeten Gameten haben die Konstitution AB, AB. Es bilden sich bei der Meiose Bivalente; der Meioseprozeß läuft ordnungsgemäß ab; die Pflanzen sind voll fertil. Man spricht hier auch von Allopolyploidie, im speziellen Fall auch von Amphidiploidie.
Dieser Prozeß ist bei Angiospermen weit verbreitet, er hat entscheidend zur Artneubildung geführt (STEBBINS, 1950, GRANT, 1971). Vorteile: Evolution durch Neukombination von Genomen und nicht durch Akkumulation von zufällig positiven Mutationen (wie man sich Evolution im klassischen Sinn vorgestellt hat). Aber solche Neukombinationen können sich nur dann gegenüber den Elternarten durchsetzen, wenn ein geeigneter (neuer) Lebensraum vorhanden ist (eine neue ökologische Nische), wenn z.B. ein neuer Bestäuber in Aktion tritt oder wenn der Bastard konkurrenzfähiger als eine oder beide Elternarten ist (für die führt das dann über kurz oder lang zum Aussterben).
Alle Kulturpflanzen sind polyploid, meist allopolyploid (d.h. sie sind auf zwei oder sogar mehr Wildformen zurückzuführen) oder autopolyploid (A x A > AA, durch Polyploidisierung: AAAA). Bei einer Reihe von Wildarten kommen Ploidierassen vor, die unterschiedliche ökologische Präferenzen haben können.
Bastardierungen zwischen Individuen unterschiedlicher Ploidiestufen (auch innerhalb der eigenen Art) führen in der Regel zu nicht-fertilen Nachkommen (Meiosestörungen bei der Gametenbildung s.o.). Deshalb gibt es auch kaum Bastardierungen zwischen Kulturpflanzen und ihren Ausgangsformen (sofern diese überhaupt im gleichen Areal / Verbreitungsgebiet) vorkommen.
Können freigesetzte GVOs in benachbarte Ökosysteme eindringen. SUKOPP und SUKOPP (1993) haben diese Frage am Modellbeispiel der Verwilderung von Kulturpflanzen diskutiert. Es gibt in der Tat wohl kaum eine Kulturpflanze, die nicht irgendwann einmal verwilderte, man kann immer wieder - vor allem an "gestörten Standorten", Ruderalstellen z.B. - verwilderte Kulturpflanzen beobachten. Dort aber auch an Verkehrswegen (Bahndämmen, Straßenböschungen, Hamburger Hafen u.a.) findet man zahlreiche fremdartige Pflanzenarten. Einige importierte Arten sind dort sogar recht häufig (z.B. Solidago virgaurea , Impatiens glandulifera u.a.). Aber kaum eine dieser Arten hat es geschafft in ein natürliches oder seminatürliches Ökosystem Mitteleuropas einzudringen, bzw. außerhalb der gestörten Standorte dominant zu werden. Zu den wenigen erfolgreichen eingebürgerten Arten gehört einmal die Wasserpest (sie breitete sich in einem artenarmen Biotop [Fließgewässer] aus, ihr Lebensraum wurde durch Drainage und Flußbegradigungen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts durch den Menschen vergrößert), zum anderen das Gras Spartina townsendii, ein amphidiloider Bastard aus einer an der englischen Küste vorkommenden Art und einer aus Nordamerika (zufällig) importierten. Spartina breitete sich in der Folge in der artenarmen Gezeitenzone im Watt der Nordseeküste aus (Queller und Andel sind die beiden anderen Arten, die in dem Bereich vorkommen), stellenweise wurde die Ausbreitung auch durch den Menschen gefördert, weil man sich durch ihre Ausbreitung eine Verbesserung von Landgewinnungsmaßnahmen versprach.
Ein Beispiel für eine Selektion von Arten in einem seminatürlichen Ökosystem sind die Mähwiesen. Sie haben sich seit dem Mittelalter entwickelt. Das Ökosystem Mähwiese enthält je nach Standort einige Grasarten (die untereinander nur sehr selten oder gar keine Bastarde bilden, obwohl ständig Graspollen auf artfremde Narben gerät - Windbestäubung, keine Selektivität durch Bestäuber) sowie eine Anzahl weiterer Angiospermen mit meist auffallend großen Blüten (Insektenbestäubung). Die Vegetationsperiode ist kurz, sie wird durch die Mahd beendet, alle Pflanzen in diesem Ökosystem müssen ihren Reproduktionszyklus zu dem Zeitpunkt abgeschlossen haben. Alle Arten zeichnen sich durch ein extrem schnelles Wachstum im Frühjahr aus; man sagt, sie schießen. GRIME & MOWFORTH (1985) zeigten, daß alle Arten in einer solchen Lebensgemeinschaft (auf Kalkboden in England) durch einen hohen DNS-Gehalt auszeichnen und daß deren Embryonen (im Samen) bereits auf hoher Entwicklungsstufe standen. Die Mehrzahl der zum Wachstum benötigten Zellteilungen fanden bereits bei der Samenbildung statt. Im Frühjahr nach der Keimung gab es dann nur noch ein schnell ablaufendes Streckungswachstum. Da die Zellen mit hohrem DNS-Gehalt durchweg größer sind als vergleichbare mit niederem DNS-Gehalt konnten solche Pflanzen auch schnell groß werden. Fazit: Hoher DNS-Gehalt allein reicht aber nicht, um sich in einer solchen Wiese durchzusetzen, auch die zeitliche Trennung von Teilungs- und Streckungswachstum müssen optimiert sein. Diese Korrelation gilt nicht für Arten, die sich im Spätsommer (nach der Mahd) entwickeln. Es ist auch nicht belegt, daß alle Typen von Mähwiesen sich nach der von GRIME festgestellten Strategie entwickeln.
Viele der in den vorangegangenen Abschnitten genannten Schutzmechanismen der Pflanzen vor fremder oder überschüssiger genetischer Information können unter Laborbedingungen gezielt ausgeschaltet werden. Die Potenz von Parenchymzellen meristematisch zu werden wird im gewerblichen Gartenbau häufig verwendet (Stecklingsvermehrung). Aus pflanzlichen Geweben können Protoplasten hergestellt werden, die unter bestimmten Bedingungen bei vielen Arten zur Regeneration ganzer Pflanzen induziert werden können (problematisch oft gar nicht möglich bei Monokotyledonen und Leguminosen). Protoplasten verwandter und weniger verwandter Arten können miteinander fusioniert werden. Die Fusionsprodukte können ggf. regeneriert werden, es können somit Bastarde erzeugt werden, die auf konventionell sexuellem Wege nicht entstehen können. Protoplasten können nur unter Laborbedingungen existieren. Ein isotonisches Medium auf das sie angewiesen sind, existiert in der Natur nicht.
Zur Herstellung gentechnisch veränderter Organismen werden ganz spezifisch gebaute DNS-Molekülkombinationen benötigt. Diese enthalten Sequenzabschnitte, welche zur Integration ins Pflanzengenom benötigt werden (T-DNS aus einem Plasmid von Agrobacterium tumefaciens), dann einen starken oder organspezifischen Promotor, ein Markergen (um den Erfolg des Einbaus messen zu können: üblicherweise Kanamycinresistenz), dann den eigentlichen codierenden Abschnitt des zu übertragenden Gens, schließlich Start- und Stoppsignale, und das alles in einem richtigen Leseraster. Zur Übertragung in eine Wirtspflanze benötigt man von ihr entweder Protoplasten, Kallusgewebe oder kleine Stücke parenchymatischen Gewebes. Die transformierten Zellen oder Zellverbände müssen voll regenerierbar sein. Sie müssen vor der Konkurrenz der nicht transformierten Zellen geschützt werden. Man muß bei jedem Schritt genau den umgekehrten Weg gehen, der in der Natur üblich ist. Es ist schon deshalb extrem unwahrscheinlich, daß sich eine derart komplex gebaute Konstruktion in der Natur verselbständigt und als integraler Bestandteil auf eine andere Pflanze übergeht.
Die Wachstumsbedingungen und Überlebenschancen von Pflanzen im Labor und Gewächshaus sind oft günstiger als im Freiland. Auch unterliegen sie dort anderen Selektionsbedingungen. Unter Laborbedingungen zeigen Pflanzenzellen, die aus einem normalen Gewebeverband ausgegliedert wurden, daß sie über weit mehr Fähigkeiten verfügen als sie in situ in einer intakten, sich normal entwickelnden Pflanze realisieren ("Alternative Pathways"). Im Verlauf der Regenation solcher Zellen (oder Kallusgewebe) zu einer Pflanze gehen diese Eigenschaften (z.B. Produktion bestimmter sekundärer Pflanzenstoffe) zunehmend verloren (Repression durch das genetisch bedingte Entwicklungsprogramm): Somatoclonale Variation (EVANS et al., 1984).
Ein anderes Beispiel: Eine Pflanzenart aus den Tropen (eine Rauvolfia-Art), die am natürlichen Standort als baumähnlicher Strauch wächst, benötigt mehrere Jahre, um die volle Größe zu erreichen und Blüten zu bilden. Im Gewächshaus erhält man eine Blütenbildung bereits nach etwas über einem Jahr. Zu dem Zeitpunkt haben die Pflanzen eine Höhe von ca. 1m erreicht, die Sproßachse ist noch nicht verholzt, eine erste Verzweigung erfolgte zum gleichen Zeitpunkt wie die Blütenbildung. Welche Aussagen lassen sich über die Selektionskriterien machen? Der Lebensraum im Gewächshaus ist ein Blumentopf. Nachdem das Wurzelsystem den Bodenraum ausgefüllt hatte gab es keine weiteren Expansionsmöglichkeiten - außer durch Blüten- und nachfolgend Samenbildung (Strategie: Suche nach neuem Lebensraum). Im Freiland mit dichter Vegetation kommt es primär darauf an, sich am Standort zu etablieren. Es dauert lange, da es eine beträchtliche Konkurrenz durch benachbarte Pflanzen (im Boden- und Lichtraum) gibt. Es ist daher auch nicht vorteilhaft, so schnell wie möglich Blüten und Samen zu bilden, da die Chance für einen Samen einen neuen Lebensraum zu finden nicht sehr hoch ist. Das Beispiel zeigt wie flexibel eine Genexpression bei Pflanzen geregelt ist und daß die Zeitachse in der Entwicklung in weitem Rahmen veränderbar ist. Das gilt auch für die Größe voll entwickelter Pflanzen: siehe z.B. Bonsai-Kulturen.
Gentechnik und Freisetzungsversuche sind keine Erfindungen der Molekularbiologen der letzten Jahre. Pflanzen und andere Organismen (Mikroorganismen, Tiere) benutzten die Technik um eine Evolution durchzuführen und sich an Veränderungen der Umwelt optimal anzupassen. Es haben sich aber auch wirkungsvolle Schutzmechanismen entwickelt, um sich vor fremder genetischer Information zu schützen und die Integrität des eigenen Genoms zu wahren. Kontinuität, das Erhalten bewährter Einrichtungen (evolutiver Erfolge: Wertfunktion, Selektionsvorteile) sind wesentliche Aspekte zum Verständnis der Biologie. Es geht in der Natur nicht nach dem Prinzip nur Neuerungen zu schaffen, primär kommt es darauf an, Bewährtes zu erhalten. Evolution ist ein opportunistisches Prinzip, es funktioniert nur dort, wo es Überfluß gibt, denn die Verlustraten bei Neuerungen sind extrem hoch. Stabile biologische Systeme sind gegen Fremdeinflüsse aller Art sehr gut gepuffert. Irreversiblen Schaden erleiden sie allenfalls durch Faktoren einer übergeordneten Komplexitätsebene oder durch übergroße Mengen zerstörerischer Enerie.
Die Verordnungen zur Freisetzung von GVOs sehen einige Fragenkomplexe vor, die weder der Antragsteller noch die Mitglieder der Gutachterkommissionen beurteilen können:
U.a heißt es dort: Kann der GVO seine Erbinformationen auf andere Organismen übertragen? Ist mit Wechselwirkungen zu anderen und Auswirkungen auf andere Organismen in der Umwelt einschließlich voraussichtlicher konkurrierender oder symbiontischer Eigenschaften im Falle einer unbeabsichtigten Verbreitung des GVO in der Umwelt zu rechnen? - Kann sein, aber es bleibt ohne Effekt. Das was Gentechniker heute an Veränderungen im Genom von Organismen vornehmen, ist marginal im Vergleich zu den Veränderungen, die auch ohne menschliche Mitwirkung ablaufen, und selbst damit wird die Natur fertig.
In der EU-Richtlinie werden Untersuchungen von Eigenschaften des GVO und seiner ökologischen Auswirkungen gefordert, die unter simulierten natürlichen Umweltbedingungen z.B. in Klimakammern und Gewächshäusern durchzuführen sind. - Eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, man kennt doch gar nicht alle Selektionskriterien im Freiland.
Noch absurder sind die politischen Vorgaben im Programm der Bundesregierung "Biotechnologie 2000” (Bundesanzeiger 219, 10222) Mit 25 Millionen DM soll eine Begleitforschung gefördert werden, bei der das Verhalten gentechnisch veränderter Organismen (Viren, Mikroorganismen oder Pflanzen) im Freiland untersucht werden soll. Als Beispiele für relevante Untersuchungsziele werden u.a. vorgeschlagen:
- Überleben, Etablierung und Ausbreitungsverhalten von transgenen Organismen unter Freilandbedingungen
- Ökologische Aspekte der Integration transgener Organismen in den Artenbestand eines Biotops.
- Verfahren zum Monitoring transgener Organismen in komplexen Freilandsystemen.
- Überprüfung und Validierung von Ergebnissen aus Vorlaufuntersuchungen an Verhalten und Auswirkungen des Organismus im Freiland.
- Stabilität und Verbleib von Fremd-DNS in transgenen Organismen und die Rolle von natürlichen Übertragungsvektoren....
- Bedeutung des horizontalen Gentransfers auf Vertreter der eigenen Art, auf nah verwandte oder entfernt verwandte Arten.
Um es unmißverständlich auszudrücken, diese Vorgaben sind mit naturwissenschaftlicher Methodik und zudem auch noch in einem derart kurzen Zeitraum nicht lösbar. Es ist a priori ausgeschlossen, unter den gegebenen Bedingungen relevante und reproduzierbare Ergebnisse zu erzielen. Solche Projekte wirken provozierend, da sie potentielle, von Gentechnikkritikern genannte Befürchtungen als Realität voraussetzen. Keines der von den Kritikern oder Gegnern genannten Argumente wäre widerlegbar. Naturwissenschaftliche Aussagen sind ungeeignet, um politische Utopien zu verifizieren.
Facit: Die beste Technologiefolgenabschätzung, die zur Lösung von Sicherheitsfragen beitragen könnte, ist das intensive (und zeitaufwendige) Studium biologischer Vorgänge. Aus der Evolutionsforschung läßt sich viel über Zusammenleben, Wechselwirkungen, Kontinuität, Veränderungspotential, Regulation, Gleichgewichte und effiziente Nutzung von Ressourcen lernen.
"Study life not books" (Spruch über dem Eingang zum Woods Hole Marine Biology Laboratory).
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