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Gefahren für die Gesundheit

Nach: "Sicheres Arbeiten in Chemischen Laboratorien", Einführung für Studenten, erstellt von der Gesellschaft Deutscher Chemiker, herausgegeben vom Bundesverband der Unfallversicherungsträger, 1996.


Chemische Substanzen können auf den menschlichen Organismus aufgrund ihrer akuten und chronischen Toxizität sowie ihrer ätzenden, reizenden, sensibilisierenden, krebserzeugenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsgefährdenden Eigenschaften gesundheitsschädigend wirken. Alle diese Faktoren werden bei der Festsetzung der Einstufung und Kennzeichnung eines Stoffes berücksichtigt. Der Anhang I der Gefahrstoffverordnung enthält hierzu umfangreiche Bestimmungen, nach welchen Kriterien ein bestimmter Stoff einzustufen und zu kennzeichnen ist.

Ein wichtiger Parameter für die Beurteilung der akuten Toxizität eines Stoffes stellen die aus Tierversuchen ermittelten LD50-Werte dar. Der LD50-Wert beschreibt die letale Dosis in mg Substanz pro kg Körpergewicht, bei der nach einmaliger Aufnahme innerhalb von 14 Tagen 50 % der Versuchstiere sterben. Dabei ist je nach den Versuchsbedingungen zu unterscheiden zwischen LD50 oral bei Aufnahme über den Verdauungstrakt und LD50 dermal bei Aufnahme über die Haut. Neben der letalen Dosis LD50 wird zur Beschreibung der akuten Toxizität eines Stoffes auch eine letale Konzentration LC50 inhalativ bestimmt. LC50 inhalativ beschreibt diejenige Luftkonzentration eines Gefahrstoffs in mg / l, bei der nach einer vierstündigen Exposition innerhalb von 14 Tagen 50 % der Versuchstiere sterben.

Entsprechend der Gefahrstoffverordnung erfolgt die Einstufung eines chemischen Arbeitsstoffes unter dem Gesichtspunkt der akuten Toxizität nach folgenden Kriterien.

sehr giftig

    LD50 oral; Ratte < 25 mg / kg

    LD50 dermal; Ratte oder Kaninchen < 50 mg / kg

    LC50 inhalativ; Ratte für Aerosole / Stäube < 0,25 mg / l

    LC50 inhalativ; Ratte für Dämpfe / Gase < 0,50 mg / l

  • Beispiele: Schwefelwasserstoff, Cyanwasserstoff, Dimethylsulfat, Phosgen, Nitrobenzol, Acrolein

giftig

    LD50 oral; Ratte: 25 mg / kg < LD50 < 200 mg / kg

    LD50 dermal; Ratte oder Kaninchen: 50 mg / kg < LD50 < 400 mg / kg

    LC50 inhalativ; Ratte für Aerosole / Stäube: 0,25 mg / l < LC50 < 1 mg / l

    LC50 inhalativ; Ratte, für Dämpfe / Gase: 0,50 mg / l < LC50 < 2 mg / l

  • Beispiele: Schwefelkohlenstoff, Methanol, Acetonitril, Benzol, Phenol, Tetrachlorkohlenstoff, Chlor...

gesundheitsschädlich

    LD50 oral; Ratte: 200 mg / kg < LD50 < 2000 mg / kg

    LD50 dermal; Ratte oder Kaninchen: 400 mg / kg < LD50 < 2000 mg / kg

    LC50 inhalativ; Ratte für Aerosole / Stäube: 1 mg / l < LC50 < 5 mg / l

    LC50 inhalativ; Ratte für Dämpfe / Gase: 2 mg / l < LC50 < 20 mg / l

  • Beispiele: Toluol, Xylol, Pyridin, n-Hexan, Nitromethan, Chloroform, Jod

Vergiftungen können einen plötzlichen oder einen schleichenden Verlauf haben (akute oder chronische Vergiftung). Biese Begriffe werden jedoch auch zur Unterscheidung zwischen einer einmaligen und einer langdauernden Einwirkung von Schadstoffen verwandt. Im allgemeinen führen hohe Einzeldosen bzw. -konzentrationen zu akuten Vergiftungen, während chronische Vergiftungen durch wiederholte geringe Dosen entstehen, die jede für sich nur eine schwache Wirkung haben. Zwischen dem Zeitpunkt der Einwirkung und dem Auftreten erkennbarer Gesundheitsschäden besteht eine unterschiedlich lange Latenzzeit (Sekunden bis Jahrzehnte). Die chronische Intoxikation kann darauf beruhen, daß sich der Schadstoff im Körper anreichert (wie z. B. bei chronischen Schwermetallverbindungen). Ein wichtiger Begriff ist die Halbwertzeit für einen Fremdstoff im Körper. Dieser Wert gibt an, nach welcher Zeit die Hälfte der aufgenommenen Dosis wieder aus dem Körper entfernt ist. Chronische Exposition gegenüber kleinen Dosen kann jedoch auch ohne Anreicherung des Stoffes zu einer Schädigung führen. In diesem Falle summieren sich die Effekte der Einzeldosen (Wirkungsakkumulation). Die Dosis eines gefährlichen Stoffes, unterhalb derer auch bei langfristiger Einwirkung keine toxische Wirkung auftritt, bezeichnet man als Schwellenwert. Die Existenz von Schwellenwerten läßt sich durch zwei verschiedene Mechanismen erklären: Erstens kann die Geschwindigkeit der Elimination größer sein als die der Aufnahme, oder zweitens können zelluläre Schäden schneller zurückgebildet werden, als sie entstehen.

Für die Einschätzung der toxischen Wirkung einer Verbindung, die in den meisten Fällen von der Konzentration des Stoffes am Wirkort abhängt, muß man das Schicksal des Schadstoffes im Organismus kennen. Die Wechselwirkung zwischen Giftstoff und Organismus läßt sich in folgende Abschnitte einteilen:

Als Faustregel gilt, daß die Gesundheitsschädigung durch das Produkt aus Toxizität und aufgenommener Dosis bestimmt wird. Die Aufnahme kann inhalativ über die Lunge (Atemgifte), oral über den Magen-Darmtrakt oder dermal über die Haut und die Schleimhäute erfolgen. Inhalation ist die wichtigste Einwirkungsform, durch die toxische Stoffe in den Körper gelangen können. Die orale Inkorporation und die Resorption über die Haut lassen sich leichter vermeiden.

Von den lokalen Wirkungen, die am Ort der Entsteheung entstehen, unterscheidet man die resorptiven Wirkungen, die darauf beruhen, daß die Substanzen mit dem Blutkreislauf im Körper verteilt werden und zu den betroffenen Organen gelangen. Die lokalen Wirkungen, wie z.B. Verätzen der Haut oder Schleimhäute mit Säuren oder Laugen sind, sobald sie zur Zellzerstörung geführt haben, nicht mehr reversibel. Dagegen sind die resorptiven Wirkungen meistens reversibel, wenn rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Aus dem Blut werden Stoffe durch unterschiedliche Mechanismen in die Organe überführt. Ungeladene Moleküle können durch die Zellmembran diffundieren, andere Moleküle benutzen spezifische Carrier. Chlorierte Kohlenwasserstoffe, die eine narkotische Wirkung haben, gelangen durch Diffusion ins Gehirn. Hohe Löslichkeit erhöht die Aufnahme und vermindert die Elimination aus dem lipidreichen Gewebe. Dagegen ist die Akkumulation von Quecksilber ein stoffwechselabhängiger Transport. Leber und Niere haben eine große Kapazität toxische Stoffe zu akkumulieren. Sie sind auch die wichtigsten Organe für die Umwandlung und Ausscheidung der Verbindungen.

Die meisten organischen Verbindungen werden nicht unverändert ausgeschieden. Durch den Angriff zellulärer Enzyme werden sie chemisch verändert. Das Ergebnis der Stoffwechselreaktionen sind im allgemeinen Verbindungen, die leichter ausgeschieden werden können (Entgiftung). Die metabolische Umwandlung kann jedoch auch zu toxischeren Verbindungen als den Ausgangsstoffen führen.

Unter Elimination versteht man die Entfernung des Giftes aus dem Körper durch Metabolismus, Speicherung in Form indifferenter Verbindungen und Ausscheidung. Allgemein kann man sagen, daß alle Stoffe, die als Gas oder Dampf eingeatmet werden, durch Ausatmen abgegeben werden können. Für die Ausscheidung über den Darm ist die Leber die wichtigste Quelle. Die Ausscheidung über die Niere hängt ab von der Filtrationsfähigkeit des Stoffes und den Möglichkeiten der tubulären Zellen, den Stoff zu akkumulieren oder zu sezernieren. Komplexbildner können die Ausscheidung erhöhen, wenn sie mit Proteinen um die Bindung des Stoffes konkurrieren. So kann die Ausscheidung von Schwermetallen durch Gabe von Komplexbildnern erhöht werden, wie z.B. die Ausscheidung von anorganischem Quecksilber durch BAL (2,3-Dimercapto-1-propanol) oder von Blei durch EDTA (Äthylendiamintetraacetat).


Wirkungen:

Zur Vorbeugung gegen die Giftwirkung von Stoffen, die über die Atemwege aufgenommen werden können, ist es wichtig, diejenigen Konzentrationen in der Atemluft zu kennen, bei denen aufgrund jahrzehntelanger Erfahrungen auch bei längerer Einwirkung keine Gesundheitsgefährdung besteht. Dies sind die "Maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen" (MAK-Werte). Der MAK-Wert ist die höchstzulässige Konzentration eines Arbeitsstoffes als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft, die auch bei wiederholter und langfristiger, in der Regel täglich achtstündiger Exposition im allgemeinen die Gesundheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigt. MAK-Werte werden für gesunde Personen im erwerbsfähigen Alter aufgestellt. Sie werden nach Votum des Ausschusses für Gefahrstoffe (AGS) vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung im Bundesarbeitsblatt in der TRGS 900 "Grenzwerte in der Luft am Arbeitsplatz" bekanntgegeben und sind damit rechtsverbindlich.

Besondere Vorsicht erfordert der Umgang mit krebserzeugenden (kanzerogenen), erbgutverändernden (mutagenen) und fortpflanzungsgefährdenden (reproduktionstoxischen) Stoffen. Diese Stoffe können bereits in sehr niedrigen Dosen irreversible und kumulative Schäden der Gesundheit hervorrufen.

Wegen der besonderen Gefahren, die von krebserzeugenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsgefährdenden Stoffen ausgehen sind eine Reihe sowohl allgemeiner als auch spezieller Beschäftigungsbeschränkungen und -verbote zu beachten. So dürfen beispielsweise werdende Mütter während der Schwangerschaft nicht derartigen Substanzen ausgesetzt werden.

Listen derjenigen Stoffe, die nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen als krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend einzustufen sind, werden vom Ausschuß für Gefahrstoffe verabschiedet und vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in der TRGS 905 "Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe" im Bundesarbeitsblatt bekanntgegeben.


© Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de