Nach: "Sicheres Arbeiten in Chemischen Laboratorien, Einführung für Studenten", erstellt von der Gesellschaft Deutscher Chemiker, herausgegeben vom Bundesverband der Unfallversicherungsträger, 1996
Naturwissenschaftler haben im Laufe ihrer Ausbildung vielfältige Kenntnisse und Erfahrungen über die Gefahren und Risiken, mit denen ihre Tätigkeit und die ihrer Kollegen verknüpft ist, zu erlernen. Das daraus entstehende Sicherheitsbewußtsein ist ein essentieller Bestandteil des Berufsethos. Die auf dem Gebiet der Sicherheit erworbenen Fertigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen sind ebenso wichtig wie diejenigen, die komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge oder neueste technische Entwicklungen betreffen.
Mit dem Wissen verbindet sich die Verpflichtung, nicht nur im obengenannten Sinne zu handeln, sondern auch der Öffentlichkeit zu zeigen, daß ein sicherer und gefahrloser Umgang mit Chemikalien möglich ist und praktiziert wird und daß eine sichere Anwendung von Chemieprodukten durch den Verbraucher garantiert ist, wenn die Anweisungen für ihre Benutzung eingehalten werden.
Zwar wird der Sicherheitsbereich in der beruflichen Tätigkeit der Naturwissenschaftler durch zahlreiche Gesetze, Verordnungen, Vorschriften und Richtlinien weitgehend geregelt, doch geht ein auf solider Fachkenntnis beruhendes Sicherheitsbewußtsein weit darüber hinaus. Unfallverhütung als selbstgestellte Aufgabe in persönlicher Verantwortung ist ein Ziel der Ausbildung. Das ist besonders wichtig, wenn ein Naturwissenschaftler als Vorgesetzter Mitarbeitern Weisungen zu erteilen hat, Verantwortung für das sichere Arbeiten dieser Menschen übernimmt und gegebenenfalls auch straf- und zivilrechtliche Konsequenzen zu tragen hat.
Unfallstatistiken haben gezeigt, daß Unfallursachen nur zu einem kleinen Teil in technischen Mängeln, überwiegend aber, d. h. in etwa 80% der Fälle, in menschlichem Fehlverhalten zu suchen ist. Dabei spielen häufig Unkenntnis über die Gefahreneigenschaften von Stoffen oder mangelnde Einsicht in die Art der durchgeführten Reaktionen eine Rolle. Nicht unbedeutend ist dabei auch der Gewöhnungseffekt: Personen, die nach längerer Erfahrung den anfänglichen Respekt vor einer potentiell gefährlichen Methode verloren haben, neigen dazu, Sicherheitsvorkehrungen zu vernachlässigen.
In Laboratorien ist stets geeignete Arbeitskleidung zu tragen: Für den normalen Laborbetrieb genügt ein langer, langärmliger Laborkittel aus nichtschmelzenden Materialien, z. B. aus Baumwolle oder einem Mischgewebe aus Polyester und Baumwolle. Der Laborkittel darf nicht in Seminarräumen, Bibliotheken, Hörsälen, Cafeterien etc. getragen werden. Das Schuhwerk muß fest und geschlossen sein. Während des Aufenthalts im Labor ist ständig eine Schutzbrille mit Seitenschutz zu tragen.
Wer einen Versuch durchführt, darf den Laborplatz nur dann verlassen, wenn eine dauernde Überwachung des Experiments nicht erforderlich ist, oder wenn ein Kollege, der über den Verlauf des Versuchs unterrichtet ist, die Überwachung fortsetzt. Bei gefährlichen Arbeiten müssen mindestens zwei Personen anwesend sein.
Speisen und Getränke dürfen wegen der Gefahr der Kontamination weder am Arbeitsplatz aufbewahrt noch dort zu sich genommen werden. Auch außerhalb des Arbeitsplatzes dürfen Speisen und Getränke nicht in Chemikalien- oder Laboratoriumsgefäßen aufbewahrt werden. Ebenso dürfen für Chemikalien keine Gefäße benutzt werden, die üblicherweise zur Aufnahme von Speisen und Getränken bestimmt sind.
In Laboratorien darf nicht geraucht werden.
Kontamination mit chemischen Arbeitsstoffen, die Gefährdung von Personen und generell das Entstehen gefährlicher Situationen beim Umgang mit Chemikalien ist strikt zu vermeiden.
Antworten auf die folgenden Fragen geben die nachfolgenden Anweisungen:
Das Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz, ChemG) soll Menschen und Umwelt vor schädlichen Einwirkungen gefährlicher Stoffe und Zubereitungen schützen, insbesondere sie erkennbar machen, sie abwenden und ihrem Entstehen vorbeugen. Das ChemG soll auch sicherstellen, daß neue Stoffe, bevor sie in den Verkehr gebracht werden, auf gefährliche Eigenschaften hinreichend untersucht und die aufgrund der Untersuchungsergebnisse notwendigen Sicherheitsvorkehrungen beim Umgang mit diesen Stoffen beachtet werden. Von den Ergebnissen der Untersuchungen hängt die Kennzeichnung der Stoffe ab, also die Art der Symbole, Gefahrenhinweise und Sicherheitsratschläge
Chemikalien sollen nach Möglichkeit in den Originalherstellerpackungen behalten werden, da die vorgeschriebenen Etiketten durch kennzeichnende Symbole, Sicherheits- und Gefahrenhinweise wertvolle Informationen liefern. Andere Gefäße müssen nach Entfernen alter Etiketten sorgfältig und eindeutig etikettiert werden. Etiketten müssen mit Klarsichtfolie überzogen werden.
Alle Behälter, in denen Chemikalien aufbewahrt werden, müssen aus geeigneten Werkstoffen bestehen. Bei der Aufbewahrung von organischen Lösungsmitteln in Kunststoffbehältern ist die Möglichkeit der Versprödung und der Diffusion zu beachten. Die unnötige Vorratshaltung von Chemikalien über ständig benötigte und für besondere Versuche bereitgestellte Mengen hinaus ist zu vermeiden. Alle im Laboratorium vorgehaltenen Chemikalien und Präparate sind mindestens einmal jährlich auf ordnungsgemäßen Zustand zu überprüfen. Chemikalien, die giftige, ätzende oder brennbare Gase oder Stäube abgeben können, dürfen nur im Abzug gehandhabt und in kleinen Mengen bereitgehalten werden.
Beim Transport von Chemikalienbehältern aus Glas besteht stets Bruchgefahr. Flaschen dürfen niemals an ihrem Hals getragen werden. Glasgefäße müssen immer in Eimern, Gestellen. oder noch besser in fahrbaren Körben oder Wannen transportiert werden.
Bei jedem Umfüllen von Chemikalien besteht stets die Gefahr des Verschüttens, auch auf Haut und Kleidung, des Einatmens von Dämpfen oder Stäuben und der Bildung zündfähiger Gemische. Beim direkten Umfüllen sind stets Flüssigkeits- oder Pulvertrichter zu verwenden, auch wenn die persönliche Geschicklichkeit ein subjektiv sicheres Manipulieren ohne diese Hilfsmittel zuläßt. Beim Umfüllen von Flüssigkeiten, insbesondere toxischer oder ätzender Art (im Abzug !) ist das Unterstellen von Wannen, beim Umfüllen von Feststoffen eine Papierunterlage nützlich. Es ist unter allen Umständen verboten, Flüssigkeiten durch Ansaugen mit dem Mund zu pipettieren.
Alle Experimente müssen sorgfältig geplant und vorbereitet werden. Eine gute Vorbereitung erfolgt anhand einer Betreibsanweisung oder Versuchsanleitung, in der nicht nur der Reaktionsablauf, sondern auch die Kennzeichnung der eingesetzten Substanzen, die Gefahren für Mensch und Umwelt, erforderliche Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln, Verhalten im Gefahrenfall, Erste-Hilfe-Maßnahmen und Angaben zur Entsorgung enthalten sein sollten. Vor Beginn des Experiments ist weiterhin zu prüfen, ob die zur Verfügung stehende Zeit für den gesamten Versuchsablauf ausreicht. Ist das nicht der Fall, muß im voraus festgelegt werden, an welchen Stellen der Versuch gefahrlos unterbrochen werden kann. Die Verfügbarkeit aller benötigten Chemikalien und Geräte muß vor Beginn eines Versuchs sichergestellt werden.
Folgende Vorsichtsmaßnahmen sind stets zu beachten:
Apparaturen in chemischen und biologischen / biochemischen Laboratorien bestehen überwiegend aus Glas. Bei allen Vorteilen, die dieses Material für das experimentelle Arbeiten bietet, birgt es durch seine mechanische Verletzlichkeit auch Gefahren. Verletzungen an zerbostenen Glasgefäßen mit z. T. erheblichen Schnittwunden gehören zu den häufigsten Laborunfällen.
Der Bruch von Apparaturen (zusammengesetzt aus mehreren Glasteilen) zählt zu den größeren Risiken in Laboratorien, insbresondere weil dadurch gefährliche Substanzen entweichen oder Brände entstehen können. Schon beim Aufbau von Apparaturen müssen daher wichtige Sicherheitsgrundsätze beachtet werden. Jede Improvisation durch Verwendung ungeeigneter Apparaturteile ist zu vermeiden. Apparaturen müssen standfest, spannungsfrei und an sicheren Standorten aufgebaut werden.In den Apparaturen - außer in Druckreaktoren - darf sich kein Überdruck aufbauen können; sie müssen daher einen Druckausgleich zur Außenatmosphäre besitzen.
Elektrische Geräte müssen sich in technisch einwandfreiem Zustand befinden. Geräte mit Schäden an Kabeln, Steckern und Kontakten müssen ausgesondert oder durch einen Fachmann repariert werden. Einbaugeräte sind auf Betriebssicherheit nach den einschlägigen Vorschriften zu überprüfen.
Die Funktionen von Apparaturen, wie z. B. des Kühlwassersystems, des Rührwerks, der elektrischen Antriebe, der Vakuumdichtheit müssen vor der Beschickung mit Chemikalien überprüft weren. Schläuche müssen sicher (z.B. mit Schellen) befestigt sein.
Alle beheizten Apparaturen mit brennbarem Inhalt müssen mit Kühlern zur Rückhaltung flüchtiger, brennbarer Stoffe versehen sein. Heizquellen müssen stets so angebracht werden, daß sie leicht und ohne Veränderungen an der Apparatur entfernt werden können. Geeignet hierfür sind Laborhebebühnen. Die sicherste Methode des Heizens ist die Verwendung von Flüssigkeits-Heizbädern, in denen eine Wärmeübertragung bei geringer Temperaturdifferenz möglich ist.
Zum Kühlen verwendet man Eis, Eis / Salz - Mischungen (Natriumchlorid bis -21 ^C, Calciumchlorid bis ca. -55 °C). Lösungsmittel / Trockeneis - Mischungen bis -78 °C) oder flüssigen Stickstoff (-196 °C). Die als Isoliergefäße häufig verwendeten Dewargefäße sind innenverspiegelte, evakuierte Hohlglaskörper und somit implosionsgefährdet. Es dürfen daher nur mit einem Schutzmantel versehene Gefäße verwendet werden.
Trocken- und Kühlschränke: Produktem, die beim Trocknen brennbare Gase oder Dämpfe abgeben können, dürfen nicht in Trockenschränken ohne Explosionsschutz getrocknet werden. In Kühlschränken dürfen brennbare Flüssigkeiten nur dann aufbewahrt werden, wenn der Innenraum explosionsgeschützt ist.
In Laboratorien wird häufig unter vermindertem Druck gearbeitet. Selbst bei der Verwendung einer Wasserstrahlpumpe entsteht eine Druckbelastung von 1000 g / Quadratzentimeter Glasoberfläche. Es ist daher ein weitverbreitere Irrtum anzunehmen, daß das Arbeiten unter "Wasserstrahlvakuum" harmlos sei. Selbst beim Absaugen von Niederschlägen werden in einer Saugflasche noch Belastungen von 300 - 800 g / Quadratzentimeter erreicht. Ein Belastungsbruch unter vermindertem Druck führt zur Implosion, wobei die herumfliegenden Glassplitter schwere Verletzungen verursachen können. Wirksamer Splitterschutz für den Fall von Implosionen ist die Verwendung von Schutzschildern oder die Sicherung in Drahtkörben, insbesondere bei großvolumigen Vakuumapparaturen.
Reaktionen unter erhöhtem Druck (Überdruck) dürfen nur in geeigneten und dafür zugelassenen Druckbehältern durchgeführt werden. Die Druckbehälter müssen gemäß den Vorschriften der Druckbehälterverordnung ausgelegt, ausgerüstet, aufgestellt und betrieben werden.