Botanisches
Institut und Botanischer Garten
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Abteilung Systematik und Biodiversität |
Funktionen epidermaler FeinstrukturenZusammenhänge zwischen Ultrastruktur, Benetzbarkeit und Kontamination: der Lotus-Effekt. Biomimetische Umsetzung des Lotus-Effektes in eine "intelligente" technische Beschichtung (BIONIK).
Förderung / Kooperationspartner / Fernseh-/Pressetermine/Preisverleihung Philip-Morris-Forschungspreis 1999 Wilhelm Barthlott und Christoph Neinhuis sind für die Arbeiten zur Umsetzung des Lotus-Effektes in eine technische Anwendung neben drei anderen Arbeitsgruppen mit dem Philip-Morris-Forschungspreis 1999 ausgezeichnet worden. |
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Cuticulare Oberflächen sind multifunktionelle Grenzschichten zwischen Pflanze und ihrer Umwelt. Diese äußerste Grenschicht, die Cuticula, dient in erster Linie als Schutz vor unkontrolliertem Wasserverlust. Ihr aufgelagerte epicuticulare Wachse beeinflussen aber auch den Strahlungshaushalt, können Mikroturbulenzen verursachen und verringern die Adhäsion von Wasser und partikelförmigen Kontaminationen. | |
Die Unbenetzbarkeit von Blattoberfächen ist lange bekannt und gut untersucht. Es wurde jedoch weitgehend übersehen, daß unbenetzbare Oberfächen auch nahezu unverschmutzbar sind. Dieser Zusammenhang wurde erst in jüngster Zeit detailliert untersucht und experimentell belegt. Da er sich besonders gut an den großen schildförmigen Blättern der heiligen Lotuspflanze (Nelumbo nucifera, Abb. 1) demonstrieren läßt, dem Symbol für Reinheit in asiatischen Religionen, wurde er von uns "Lotus-Effekt" genannt. Wenn Wassertropfen über ein Lotusblatt rollen, dann nehmen sie alle kontaminierenden Partikel auf und entfernen sie vom Blatt (Abb. 2,3). | |
Grundlage des Lotus-Effektes sind extrem aufgerauhte, hydrophobe Blattoberflächen (Abb. 4), an denen Wasser und Partikel praktisch nicht haften (Abb. 5). Neben stark gewölbten oder papillösen Epidermiszellen sind es vor allem epicuticulare Wachskristalle in der Größe weniger Mikrometer, die den Effekt bewirken. Die besondere Strukturierung der Oberfäche und die Fähigkeit zur Regeneration der Wachse machen den Lotus-Effekt auch gegenüber natürlichen Einflüssen weitgehend unempfindlich. | |
Anders verhält es sich bei anthropogenen Einflüssen, wie z.B. Umweltchemikalien. Zu diesen gehören auch Tenside, die in großem Maßstab weltweit in Pflanzenschutzmitteln eingesetzt werden müssen, um eine Wirkstoffaufnahme zu gewährleisten. Sie verändern die Feinstruktur der Wachskristalle, und machen die Blätter für Wasser benetzbar. Als Folge dessen werden auch Schmutzpartikel nicht mehr vom Blatt entfernt und unter ungünstigen Umständen bleiben Sporen oder Conidien pathogener Pilze oder Bakterien zurück was auch zu einer erleichterten Infektion der Pflanze führen kann. | |
Der Lotus-Effekt stellt ein ausgesprochen effektives biologisches Modellsystem dar, von dem ausgehend unverschmutzbare künstliche Oberflächen entwickelt werden können, da er auf einer rein physikalisch-chemischen Grundlage beruht. Es sind zahlreiche Einsatzgebiete denkbar (Fassadenbeschichtungen, Dächer, Autolacke), in denen derartige Oberflächen viele Vorteile bringen und zu einer deutlichen Umweltentlastung durch eingesparte Reinigungskosten führen. In Kooperation mit der Industrie wird derzeit daran gearbeitet, den Lotus-Effekt für technische Anwendungen umzusetzen. Es wird aber sicherlich noch einige Zeit dauern, bis einsatzfähige Produkte auf den Markt kommen. |
Zusammenfassendes
Diagramm der Verbindung zwischen Rauhigkeit und Selbstreinigung: Während
auf einer glatten Oberfläche die Schmutzpartikel durch den Wassertropfen
nur verlagert werden (links), haften sie sich auf einer rauhen Oberfläche
(rechts) am Tropfen und werden von diesem beim Abrollen vom Blatt mitgetragen
und so abgewaschen.
(Vergleiche auch: GEO Explorer - Highlights Bionik) |
In dem Projekt erfolgt eine Zusammenarbeit mit den folgenden vier Kooperationspartnern aus der Industrie:
Deutsche Bundesstiftung Umwelt
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Fernseh- / Pressetermine / Preisverleihung Philip-Morris-Preis Nachstehend aufgeführt finden Sie die wichtigsten Termine der kommenden Wochen:
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Zukunftspreis 1998 für Technik
und Innovation des Bundespräsidenten:
Wilhelm Barthlott wurde vom Bundespräsidialamt zusammen
mit drei weiteren Kandidaten für den Zukunftspreis für Technik
und Innovation 1998 des Bundespräsidenten nominiert. Die Nominierung
erfolgte auf Vorschlag der Karl-Heinz-Beckurts-Stiftung und der Hermann
von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren auf Grund seiner
Arbeiten zur Umsetzung des Lotus-Effektes in eine technische Anwendung.
Detaillierte Informationen zum Lotus-Effekt
finden sich unter:
W. Barthlott und C. Neinhuis (1997): Purity of the sacred lotus or escape from contamination in biological surfaces. PLANTA 202: 1-8. Weitere BIONIK-Links auf der Homepage der "Technische Biologie und Bionik" an der Universität Saarbrücken. |
W. Barthlott, C. Neinhuis, 1998: Lotus-Effekt und Autolack: Die Selbstreiniungsfähigkeit mikrostrukturierter Oberflächen. Biologie in unserer Zeit. 28.Jahrgang Nr.5, 314-322.
Deussen, N. 1996: Bionik. Lufthansa Bordbuch 1/96: 50-57.
Nachtigall, W. 1997: Der "Lotus-Effekt": Selbstreinigende Oberflächen. Gesellschaft für Technische Biologie und Bionik, Rundschreiben Nr. 20: 1-2.
Nachtigall, W. 1998: Bionik. Springer Verlag.
Schilling, G. 1997: Bionik. GEO 10/1997: 104-118.
Schwanke, S. 1995: Selbstreinigender Autolack. Volvo Magazin 2: 48-49.
DER SPIEGEL 11/1998: Schatzkammer Natur. S. 181-188.
Weber, J. 1995: Ärgern Sie sich übers Fensterputzen? Dann sollten Sie den Lotuseffekt kennenlernen. Süddeutsche Zeitung, Magazin Nr. 25 (21.6.95): 20-25.
Barthlott, W., 1992: Die Selbstreinigungsfähigkeit pflanzlicher Oberflächen duurch Epicuticularwachse. Klima- und Umweltforschung an der Universität Bonn, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 117-120.
Barthlott, W. & Ehler, N. 1977: Raster-Elektronenmikroskopie der Epidermis-Oberflächen von Spermatophyten. - Trop. Subtrop. Pflanzenwelt 19, Akad. Wiss. Lit. Mainz (F. Steiner Verlag), 1-110.
Barthlott, W. & Neinhuis, C., 1997: The purity of sacred lotus or escape from contamination in biological surfaces, Planta 202, 1-8.
Barthlott, W. & Neinhuis, C., 1998: Lotusblumen und Autolacke: die Selbstreiniungsfähigkeit mikrostrukturierter Oberflächen. In: W. Nachtigall & A. Wisser: BIONA-Report 12, 281-293.
W. Barthlott & C. Neinhuis, 1998: Lotus-Effekt und Autolack: Die Selbstreiniungsfähigkeit mikrostrukturierter Oberflächen. Biologie in unserer Zeit. 28.Jahrgang Nr.5, 314-322.
Neinhuis, C., Wolter, M. & Barthlott, W., 1992: Epicuticular wax of Brassica oleracea: changes of microstructure and ability to be contaminated of leaf surfaces after application of Triton X-100. Z. Pflanzenkrankh. Pflanzenschutz 99, 542-549.
Neinhuis, C. & Barthlott, W., 1997: Characterisation and distribution of water-repellent, self-cleaning plant surfaces. Annals of Botany 79, 667-677.
Neinhuis, C. & Barthlott, W., 1998: Leaf surface contamination in beech, oak, and ginkgo in relation to micromorphology and wettability. New Phytologist 138, 91-98.
Noga, G., Wolter, M., Barthlott, W. & Petry, W., 1991: Quantitative evaluation of epicuticular wax alterations as induced by surfactant treatment. Angew. Botanik 62, 239-252.
Noga, G.J., M. Knoche, Wolter, M. & Barthlott, W., 1987: Changes in leaf micromorphology induced by surfactant application. Angew. Botanik 61, 521-528.
Wagner, T., Neinhuis, C. & Barthlott, W., 1996: Wettability and contaminability of insect wings as a function of their surface sculpture. Acta Zoologica 77, 213-225.
Wolter, M., W. Barthlott, Knoche, M. & Noga, G.J., 1988: Concentration
effects and regeneration of epicuticular waxes after treatment with Triton
X-100 surfactant. Angew. Botanik 62, 53-62.