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Lamiales


Kräuter, Stauden, selten Bäume; oft mit iridoiden Verbindungen, selten mit cyanogenen oder mit Saponinen. Bikollaterale Leitbündel kommen nur bei einigen Arten der Verbenaceae vor. Die Blätter stehen meist gegenständig, selten wechselständig oder in Quirlen. Die Blüten sind in der Regel zwittrig und radiär oder asymmetrisch gebaut. Das Gynoeceum besteht aus meist zwei, seltener bis zu fünf Karpellen. Durch falsche Scheidewände ist der Fruchtknoten in vier Kammern unterteilt, die je eine Samenanlage in meist zentrlwinkelständiger Placentation enthalten. Die 7800 Arten lassen sich neun Familien zuordnen, von denen drei dominierend sind:

Lamiaceae (3200 Arten)
Verbenaceae (2600 Arten)
Boraginaceae (2000 Arten).

Die nur vier bis fünf Arten der Lemnoaceae leben parasitisch. Die Lamiaceae und die Verbenaceae stellen ein nah verwandtes Familienpaar dar, die Übergänge zwischen ihnen sind fließend, die Abgrenzung bleibt Ermessenssache. Bei den Lamiaceae sind einige Trends im Blüten- und Fruchtknotenbau weiter vervollkommnet. Die Pollenkörner der Verbenaceae haben eine vielgestaltige Wand, die der Lamiaceae ist weitgehend einförmig.

Die Lamiales sind, wie an anderer Stelle ausgeführt, mit den Solanales verwandt. Es ist zweckmäßig, beide Ordnungen als Parallelgruppen zu sehen, denn selbst die primitivsten Solanales sind so weit spezialisiert, daß sie oder ihre Vorfahren kaum als Vorfahren der Lamiales in Betracht gezogen werden können. Gesichert ist hingegen die Annahme, daß beide Ordnungen eine Affinität zu den Gentianales haben.

Die Boraginaceae oder Rauhblattgewächse haben wechselständige Blätter, zu ihren Inhaltsstoffen gehören Alkannin und Pyrrolizidin-Alkaloide, jedoch keine iridoiden Verbindungen (die für die beiden anderen Familien typisch sind). Die Verwandtschaft der Boraginaceae zu den beiden erstgenannten Familien erscheint - vor allem wenn man die Vertreter der heimischen Flora betrachtet - weniger eng zu sein. Das Bild ändert sich jedoch, wenn man die in den Tropen verbreiteten baumartigen Boraginaceae und Verbenaceae in die Betrachtung mit einbezieht. Die Analyse der Fruchtknotenarchitektur ergab, daß bei den Boraginaceae alle Übergänge zwischen Verbenaceen-Typ und Lamiaceen-Typ existieren.

Alle einheimischen Arten der Boraginaceae sind Kräuter oder Stauden. Unter den tropischen Vertretern kommen Sträucher, Bäume und Lianen vor. Alle vegetativen Teile sind von einzelligen, steifen Haaren besetzt, deren Steifheit auf Silikat- und/oder Calciumcarbonateinlagerungen in der Wand beruht. Die Blätter sind ungeteilt und wechselständig. Die meist radiärsymmetrischen oder leicht zygomorphen Blüten stehen vielfach in schneckenförmig eingerollten Wickeln. Bei vielen Arten ist die Blütenröhre am äußeren Rand durch Ausstülpungen oder Haare (Schlundschuppen) verengt. Die Aufteilung des oberständigen Fruchtknotens in vier Fächer ist deutlich. In Aufsicht hat es den Anschein, als würde der Stempel genau dazwischen stehen. Die reife Frucht zerfällt in vier einsamige Nüßchen. Die artenreichsten Gattungen kommen in den Tropen und im mediterranen Bereich vor, die bekanntesten mitteleuropäischen sind Cynoglossum (Hundszunge), Lithospermum (Steinsame), Myosotis (Vergißmeinnicht), Echium (Natternkopf), Pulmonaria (Lungenkraut) und Symphytum (Beinwell).

BLÜTENDIAGRAMME: links: Anchusa officinalis (Boraginaceae) -
rechts: Lamium album (Lamiaceae)

© S. LIEDE


Abbildungen aus: O. W. THOMÉ, - Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz (1885 - 1905)
digitale Bearbeitung und © Kurt Stüber MPI für Züchtungsforschung.- Kurt Stübers online library of historic biological books


Verbenaceae: Auch hier gibt es wieder alle Wuchsformen, von großen Bäumen über Lianen bis hin zu Kräutern. Avicennia (Schwarze Mangrove - wird zuweilen als Gattung einer eigenen Familie: Avicenniaceae geführt) ist eine der bekanntesten Mangrovegattungen, Keimlinge entwickeln sich auf der Mutterpflanze, wird durch Meerwasser verbreitet und befestigt sich am Strande mit Borsten, die am Hypokotyl entstehen. Die Familie ist pantropisch, nur wenige Vertreter kommen in der gemäßigten Zone vor. Zu den wirtschaftlich bedeutendsten Arten gehört Tectona grandis (Teakbaum), dessen Holz durch Imprägnation mit Kieselsäure und verschiedenen Anthrachinonderivaten gegen Termitenfraß und Pilzbefall geschützt ist. Wegen seiner Widerstandsfähigkeit und Härte ist es eines der wertvollsten Nutzhölzer, zu den dekorativen tropischen Parksträuchern gehört Clerodendrum speciosissimum (nebenstehendes Bild).

Das Holz von Citharexylum (aus Mexiko und Südamerika) wird zur Herstellung von Musikinstrumenten gebraucht, jenes von Premum (aus Malaysia) dient in Japan zur Herstellung gemaserter Messergriffe.

Lamiaceae ( = Labiatae): Die Lamiaceae sind besser unter ihrem alten Namen Labiatae oder dem deutschen Namen Lippenblütler bekannt. Es sind Kräuter, Stauden, in Einzelfällen auch mittelgroße Bäume. Der Stengel krautiger Arten ist vierkantig, die Ecken sind durch Kollenchym verstärkt. Die Blätter stehen gekreuzt gegenständig. Die fast immer stark zygomorphen Blüten sind zu ein- bis zwanzig-blütigen, gedrungenen, achselständigen Scheinquirlen zusammengefaßt, die ihrerseits zu Ähren oder Trauben vereint sind.

Die Kronröhre ist glockenförmig-röhrig, meist fünfzählig und typischerweise zweilippig; genau gesagt, zwei der Petalen sind in ihrem apikalen Abschnitt zu einer Oberlippe, drei zu einer Unterlippe verwachsen. An der Basis sind sie zu einer einheitlichen Röhre vereint. Es kommen zweimal zwei ungleich lange Stamina vor. Wie bei den Boraginaceae beschrieben, steht der Griffel zwischen den emporgewölbten Fruchtknotenkammern (das gleiche Muster kommt übrigens auch bei den Verbenaceae vor). Histologisch sind der Fruchtknoten der Boraginaceae und der der Lamiaceae meist deutlich voneinander unterscheidbar, denn bei den Lamiaceae sind Mikropyle und Radicula nach unten gerichtet, bei den Boraginaceae meist nach oben.

Wie aus dem Dargelegten auch hervorgeht, ist der Hauptunterschied zu den Verbenaceae in der stärkeren Ausprägung der Blütenzygomorphie zu suchen, welche wiederum, zusammen mit der Stellung der Stamina und des Griffels, als ein Musterbeispiel für eine Adaptation an Bestäuber (Bienen, Schmetterlinge, Kolibris) gilt.

Bemerkenswert ist der Bau der Stamina vieler Salvia-Arten. Bei Salvia pratensis (Wiesensalbei) z.B. sind die beiden Antherenhälften (Theken) durch ein asymmetrisch gebautes Konnektiv verbunden. Der eine Ast ist außergewöhnlich lang und trägt eine fertile Theka, der andere ist kurz, plattenförmig verbreitert und trägt lediglich eine reduzierte, sterile Theka. Beim Landeanflug auf die Unterlippe und dem Versuch, an den am Blütengrund gesammelten Nektar zu gelangen, stößt die Biene (oder Hummel) mit dem Kopf gegen den kurzen Ast, wodurch sich der lange Ast nach dem Prinzip der Hebelwirkung absenkt. Der Pollensack kommt dadurch mit dem Rücken des Bestäubers in Kontakt und entleert sich. Salvia-Blüten sind protandrisch. Sie durchlaufen also zunächst ein männliches, anschließend ein weibliches Stadium. Während der Reifung des Gynoeceums verlängert sich der Griffel, und die zweiteilige Narbe wächst aus dem Schutz der Oberlippe heraus. Ein anfliegender, auf dem Rücken mit Pollen bepuderter Bestäuber überträgt jenen zwangsläufig auf die Narbe, Fremdbestäubung ist damit gewährleistet.

In einigen anderen Gattungen (Hyptis: in Südamerika vorkommende Sträucher; Aeollanthus aus dem tropischen Afrika) wird der Pollen explosionsartig freigesetzt, sobald ein Insekt auf der Unterlippe der Blüten landet. Bestäubung durch Kolibris kommt bei vielen amerikanischen Arten vor. Ihre Blütenkronen sind lang. Die Lamiaceae sind reich an ätherischen Ölen, meist sind es Mono-, Sesqui- oder Diterpenderivate . Als Beispiele können die ätherischen Öle von Lavendel, Minze, Salbei, Thymian, Origanum und Rosmarin genannt werden. Saponine und iridoide Substanzen werden nur selten gebildet. Kohlenhydrate werden oft als Stachyose und/oder Oligogalactoside gespeichert. Bei vielen Arten enthalten die Zellen parenchymatischer Gewebe Calciumoxalatkristalle.

Obwohl die Lamiaceae weltweit verbreitet sind, liegt einer ihrer Verbreitungsschwerpunkte im mediterranen Bereich. Einige sind Charakterarten der Macchie und der Garrigue, z.B. Sideritis und Thymus.

Lamiaceae sind Pflanzen offener Biotope, im tropischen Regenwald sind sie daher kaum anzutreffen.

Typische heimische Gattungen sind Ajuga (Günsel), Teucrium (Gamander), Glechoma (Gundermann), Prunella (Braunelle), Lamium (Taubnessel), Stachys (Ziest), Salvia (Salbei), Thymus (Thymian) und Mentha (Minze). Etwa 50 Prozent der Blüten von Mentha sind funktionell weiblich, weil die Stamina entweder nur rudimentär angelegt werden oder steril sind.


Abbildungen aus: O. W. THOMÉ, - Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz (1885 - 1905)
digitale Bearbeitung und © Kurt Stüber MPI für Züchtungsforschung.- Kurt Stübers online library of historic biological books


© Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de